Brigitte Ederer: Der Preis des Erfolges, EU-Beitritt, Kündigungen
Shownotes
Brigitte Ederer hat als Staatssekretärin den EU-Beitritt Österreichs verhandelt und hautnah erlebt, wie "nicht in allen sehr erfreut waren, dass wir gekommen sind". Als Vorständin beim deutschen Industrieriesen Siemens war sie später verantwortlich für zehntausende Angestellte. Heute sitzt sie in mehreren Aufsichtsräten - unter anderem bei ÖBB, bei Boehringer Ingelheim und OSRAM und ist eine der einflussreichsten Wirtschaftstreibenden Österreichs. "Ich befürchte, dass der Kapitalismus mich mehr verändert hat, als ich ihn", sagt Ederer in der zweiten Folge des "CEO"-Podcasts. Im Gespräch mit Petra Stuiber, stv. Chefredakteurin des STANDARD, verrät Ederer, wie sie es in einer männerdominierten Branche ganz an die Spitze geschafft hat, was der schönste Teil ihrer Karriere war und warum der Weg nach oben auch "viele Narben" hinterlassen hat. Was laut der Spitzenmanagerin "der Preis für ein spannendes Leben" ist, hören Sie in dieser Folge.
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Transkript anzeigen
00:00:00: Ich befüge dem Nachhinein, dass der Kapitalismus mich mehr verändert hat, wie ich ihn.
00:00:13: Das ist Brigitte Edderer, sie war Spitzenmanagerin beim deutschen Industrie-Riesen Siemens.
00:00:20: Sie ist eine der einflussreichsten wirtschaftstreibenden Österreichs.
00:00:24: Das ist Schwerarbeit, das kostet viel Energie, aber wenn sie es erreicht haben, ist es ein Gefühl, das ist traumhaft.
00:00:31: Edderer war auch zwei Jahrzehnte lang in der Spitzenpolitik tätig und hat unter anderem den EU-Beitritt des Landes mitverhandelt.
00:00:40: Da gab es viele Sorgen und die waren natürlich nicht in allen sehr freut, dass wir da gekommen sind.
00:00:47: Edderer war in absoluten Spitzen-Shops die große Herausforderungen, die sich gebracht haben.
00:00:56: Das war der schmerzigste Teil, also den möchte ich mein ganzes Leben nie mehr machen müssen.
00:01:04: Was hat sie erfolgreich gemacht und was würde sie heute ihrem Jüngeren ich sagen?
00:01:18: Mein Name ist Bittra Stulber und das ist der CEO Podcast vom Standard.
00:01:27: Wir interviewen die wichtigsten wirtschaftstreibenden Österreichs, blicken in deren Arbeitswelten,
00:01:33: finden heraus, wie sie es an die Spitze geschafft haben und was es braucht, um Österreichs Wirtschaft anzukurbeln.
00:01:40: Wenn Sie uns dabei helfen wollen, diesen Podcast großzumachen, dann abonnieren Sie CEO auf den Podcast-Plattformen Ihrer Wahl
00:01:48: und schicken Sie uns Ihr Feedback und Ihre Interviewwünsche an Podcast@derStandard.at
00:01:55: Und jetzt geht's los!
00:02:01: Frau Edderer, Sie sind 1956 als Tochter einer alleinerziehenden Mutter in Wien auf die Welt gekommen,
00:02:08: haben aber sehr viel Zeit Ihre Kindheit bei den Großeltern im Waldviertel verbracht.
00:02:14: Wo hat Ihr Herz höher geschlagen? In Wien oder im Waldviertel?
00:02:19: Die erste Liebe war eher im Waldviertel, weil ich natürlich dort die gesamte freie Zeit verbracht habe.
00:02:26: Wenn Sie als Kind im Waldviertel aufwachsen, dann ist das etwas, absolute Freiheit.
00:02:32: Da gibt es nichts, was sie abhält. Ich bin nach dem Frühstück raus, bin zum Mittagessen nach Hause gekommen
00:02:39: und dann wieder raus bis am Abend und da ist niemand, der Ihnen irgendwie sagt, das geht nicht
00:02:44: oder das viel Verkehr oder sonst irgendwas. Das ist eine Freiheit, die kann man sich gar nicht vorstellen, wenn man in der Stadt aufwächst.
00:02:51: Haben Sie damals quasi Skills mitbekommen, die Ihnen dann in Ihrem späteren Leben geholfen haben?
00:02:58: Also sind Sie auf eine Art und Weise da gestärkt worden, in dieser Kindheit, wo Sie heute in der Rückschau sagen,
00:03:07: das hat mir im späteren Leben geholfen?
00:03:10: Ja, ich habe gelernt, mich bei Buben durchzusetzen und einfach meine Welt, da ich keine Unterstützung hatte von Erwachsenen,
00:03:20: aber keiner von uns, war es einfach so, dass wir sehr viel Zeit miteinander verbraucht haben und mich durchzusetzen
00:03:26: und irgendwie in der Gruppe akzeptiert zu werden. Das hat sicher mein Leben geprägt.
00:03:31: Also Sie mussten sich da einfach irgendwie gegen eine männliche Übermacht behaupten?
00:03:36: Ja, Übermacht, aber es waren mehr junge Männer, ich war das einzige Mädchen in dem Alter.
00:03:42: Sie sind ja dann in Floridsdorf ins Gymnasium gegangen und haben dann an der Uni Wien Volkswirtschaft studiert.
00:03:48: Können Sie sich noch erinnern, wann haben Sie begonnen, sich für Wirtschaft zu interessieren und warum?
00:03:57: Der Wirtschaft hat mich schon immer interessiert und die wirtschaftlichen Zusammenhänge, aber ich war damals natürlich stark politisiert
00:04:04: durch die sozialistische Jugend und auch durch einen Onkel, der Betriebsrat war.
00:04:09: Und ich habe gemeint, man muss Wirtschaft studieren, um den Kapitalismus wirklich zu studieren und ihn verändern zu können,
00:04:17: von innen sozusagen aufzuarbeiten.
00:04:20: Ich befürchte im Nachhinein, dass der Kapitalismus mich mehr verändert hat, wie ich ihn,
00:04:25: und letztendlich war das ein Hauptmotiv damals, Volkswirtschaft zu studieren.
00:04:30: Dann probieren wir es mal andersrum, wann hat denn die politische Sozialisation begonnen?
00:04:35: Also wann sind Sie bewusst, politisch geworden?
00:04:38: Wann haben Sie eben bewusst begonnen, sich zu fragen, läuft da alles richtig und was kann ich tun, um die Welt zu verändern?
00:04:46: Wann war das ein Thema?
00:04:48: Naja, das war, würde ich sagen, so mit 15, 16. Ich war politisch sehr interessiert und eben wie gesagt ein Onkel, der Betriebsrat war
00:04:57: und meine Mutter, die immer nur gesagt hat, oder sagen, dass die Roten sind für uns da.
00:05:02: Also das war schon als Kind ein ganz wichtiges Moment eigentlich.
00:05:07: Und dann auch in Florida, da auf der damaligen Zeit, gab es eben viele, die in der Sozialdemokratität waren.
00:05:14: Also es war so ein Fließ in der Übergang, aber ich würde es vom Alter her anschätzen mit 15, 16.
00:05:20: War Ihre Mutter Arbeiterin?
00:05:22: Meine Mutter hat auch die Volksschule gehabt und ist dann zu Leuten in Bedienung gegangen
00:05:28: und war aber eine sehr kluge, sehr bodenständige Frau, die einfach mit Werten ausgestattet war,
00:05:36: die es vielleicht heute in der Konkretheit und Einfachheit gar nicht mehr gibt.
00:05:41: Ich höre heute noch, wenn meine Mutter gesagt hat, wenn ich etwas getan habe, hat sie gesagt, aber so was macht man nicht.
00:05:48: Und ich habe einen Wertekostüm, dass ich immer noch, wenn ich etwas tue, was vielleicht nicht ganz in Ordnung ist,
00:05:53: höre ich in meinem Ohr, meine Mutter, die sagt, ja, aber so was macht man nicht.
00:05:59: Jetzt sagen Sie, der Kapitalismus hat Sie vielleicht stärker verändert als Sie ihn.
00:06:05: Da erhebt sich ja eine ganz grundsätzliche Frage.
00:06:08: Die soziale Marktwirtschaft ist ja so etwas, was immer so ein Slogan war in Österreich,
00:06:13: was eigentlich alle Parteien im Prinzip in Österreich vor sich her tragen.
00:06:18: Aber ist das eigentlich so eine Art Lebenslüge oder gibt es die soziale Marktwirtschaft überhaupt noch?
00:06:26: Nein, das ist keine Lebenslüge.
00:06:28: Ich würde meinen, dass das marktwirtschaftliche System aber abgefedert,
00:06:32: dass die sozial Schwachen nicht unter der Rede kommen, dass es eine gute Ausbildung für alle gibt,
00:06:37: dass es eine durchlässige Gesellschaft gibt.
00:06:40: Das ist letztendlich das Ziel, weil auch die Marktwirtschaft davon profitiert.
00:06:45: Es profitieren nicht nur die sozial Schwächeren, sondern es profitieren eigentlich alle davon,
00:06:49: wenn man Maßnahmen setzt, die letztendlich zu einer Aufwertentwicklung der Gesellschaft beitragen.
00:06:55: Aber wenn man sich die globalen Entwicklungen anschaut,
00:06:58: muss man nicht eher sagen, wir leben insgesamt in Zeiten eines entfesselten Kapitalismus?
00:07:05: Die letzten Monate sind schon etwas, was auch für mich herausfordernd ist,
00:07:10: weil ich mir eigentlich nicht vorstellen konnte nach ein paar Monaten, dass so etwas stattfindet.
00:07:16: Wenn Sie mir vor ein halben Jahr gesagt hätten, dass der Welthandel zu einem Teil infrage stellt,
00:07:21: hätte ich gesagt, das kann nicht sein und das wird auch nicht sein.
00:07:25: Ich stamm aus einer Generation und auch ein wesentlicher Grund,
00:07:29: warum ich eine gehörende Befürworterin der Europäischen Union bin, dass man sagt,
00:07:33: wenn Länder immer stärker Handeln miteinander treiben,
00:07:37: dann werden sie keine griecherischen Auseinandersetzungen mehr führen.
00:07:40: Das gilt jetzt für die Europäische Union, also für Deutschland und Frankreich,
00:07:44: aber das gilt insgesamt für die Welt.
00:07:46: Und an dieses Weltbild habe ich eigentlich sehr stark geglaubt.
00:07:49: Das ist jetzt ein bisschen erschüttert.
00:07:51: Die Welt Ihrer Mutter, die Werte Ihrer Mutter, das ist doch so ein bisschen eine Welt,
00:07:57: die gerade am Untergehen ist. Das macht man nicht. Hat das überhaupt noch einen Wert?
00:08:04: Ich glaube, das ist letztendlich Zusammenleben von Menschen.
00:08:08: Da muss es Meinungen geben oder Werte geben, wo man sagt, so etwas macht man nicht.
00:08:13: Dass das vielleicht heute weniger prominent in den Köpfen ist,
00:08:16: wie das bei meiner Mutter der Fall war, das mag sein.
00:08:19: Aber gelten tut es, glaube ich, genauso wie damals.
00:08:22: Sie haben ja nach der Sponsion in der Arbeiterkammer angefangen als Expertin
00:08:29: und sind aber sehr bald ganz in die Politik gewechselt.
00:08:32: 17 Jahre habe ich mir ausgerechnet, hat Ihre politische Karriere gedauert.
00:08:38: Sie waren Staatssekretärin und haben den EU-Beitritt Österreichs maßgeblich mitverhandelt.
00:08:45: Vielleicht können Sie uns einen Einblick geben, vor allem den jüngeren Hörerinnen und Hören,
00:08:50: die dann noch nicht so dabei waren. Wie war das dieses Verhandeln damals?
00:08:56: Wie muss man sich das vorstellen?
00:08:58: Man muss sich das so vorstellen, dass wir eigentlich zwei, wenn Sie so wollen, Fronten hatten.
00:09:04: Wir wollten beitreten der Europäischen Union.
00:09:07: Das war der gemeinsame Wille der beiden Koalitionspartner in der Regierung.
00:09:11: Und das bedeutete, dass wir Verhandlungen mit der Europäischen Union aufnehmen müssen.
00:09:16: Und die waren natürlich nicht in allem sehr freu, dass wir da gekommen sind.
00:09:20: Oder hatten Vorstellungen, wie und unter welchen Bedingungen wir Mitglied werden können.
00:09:25: Und auf der anderen Seite gab es die österreichische Bevölkerung, die zu Beginn, also ich rede jetzt von 1992,
00:09:32: auch nicht gerade der Meinung war, wir sollten der Europäischen Union beitreten, weil wir sind das.
00:09:37: Es geht uns gut und was soll das kann? Und wir verlieren eine Autonomie
00:09:41: und wir verlieren auch möglicherweise Teile unter der Neutralität oder so, da gab es viele Sorgen.
00:09:47: Das ist ja sozusagen etwas, was ja auch jetzt wieder von gewissen Parteien immer hoch kommt.
00:09:53: Wir verlieren unsere Autonomie, wir müssen eine Autonomie zurückkriegen.
00:09:57: Was war denn so die Vorbehalte der Mitgliedsländer der Europäischen Union?
00:10:01: Haben die geglaubt, mit Österreich kommt dann eine zusätzliche Konkurrenz?
00:10:05: Oder was war da konkret das Problem für einige?
00:10:09: Der damalige Kommissionspräsident, den ich sehr geschätzt habe.
00:10:13: Das war ein klugerweiser Mann, der Europa wirklich weitergebracht hat, der Schaktelor.
00:10:18: War natürlich der Meinung, dass wir wirtschaftlich gut zu dieser Europäischen Union passen.
00:10:23: Politisch mit der Neutralität hat er gemeint, es ist weniger so zu sagen,
00:10:29: dass die Länder dazu kommen, weil auch noch Schweden und Finnland die ja ebenfalls Neutralitätstatus hatten
00:10:36: und hat gemeint, es gibt einen eigenen Wirtschaftsraum, den europäischen Wirtschaftsraum,
00:10:41: wo die Länder mitmachen können, Schweden, Finnland, damals auch Norwegen und Österreich,
00:10:45: aber politisch wirklich als Vollmitgid passen sie nicht ganz dazu.
00:10:50: Und in dieser Diskussion waren wir, wir wollten natürlich einige Sachen absichern in den Verhandlungen
00:10:56: und dieses Spannungsverhältnis, wie bei allen Verhandlungen,
00:11:00: hat dann letztendlich nämlich zu einem guten Ergebnis geführt.
00:11:02: Aber Sie müssen uns dann ein bisschen mitnehmen, wir wissen das ja nicht.
00:11:05: Sie haben ja ihr ganzes Leben lang verhandelt als Politikerin, Sie haben als Spitzmanagerin.
00:11:11: Ich stelle mir vor, stundenlange Sitzungen, Nachtsitzungen,
00:11:16: kann man da irgendwie auch mal rausgehen oder sitzt man die ganze Zeit drinnen?
00:11:21: Wie ist das mit der Versorgung? Kriegt man da auch was zu essen?
00:11:25: Wie muss man sich so etwas vorstellen?
00:11:27: Na ja, die Abschlussverhandlungen mit den europäischen Union, die waren schon speziell.
00:11:31: Das muss man dazu sagen, also alle meine Hauptverhandlungen waren Gott sei Dank nicht so.
00:11:34: Da haben wir eigentlich zwei Tage und zwei Nächte durchverhandelt, nicht ganze zweite Nacht.
00:11:39: Natürlich kann man da rausgehen, natürlich kriegt man da was zu essen und lässt sich was bringen und so.
00:11:44: Aber letztendlich hält dann auch der Wunsch, endlich das zu einem Ende zu bringen,
00:11:50: hält alle aufrecht und auch die Gemeinschaft, die wir damals waren.
00:11:54: Also das war schon beeindruckend, wie wir da alle Österreicher wussten,
00:11:57: welcher Partei und ob wir im Bundesland oder Bundespolitik waren, wie wir da zusammengehalten haben.
00:12:03: Und das war dann schon fast wie in einer Wandergruppe oder Bergsteigergruppe,
00:12:09: dass wir gewusst haben, wir können da jetzt nur gemeinsam rauf. Alleine werden wir das nicht schaffen.
00:12:14: Und die anderen waren natürlich der Meinung, also ich kann mich noch erinnern an der Transitgeschichte,
00:12:19: die Holländer haben überhaupt nicht verstanden, dass man Transit einschränken möchte
00:12:24: oder Lkw-Verkehr einschränken möchte. Die waren fassungslos, was wir da überhaupt wollen.
00:12:29: Und da haben wir immer wieder gesagt, es gibt die Freiheit des Dienstleistungsverkehrs
00:12:33: und wir sollen jetzt endlich aufhören mit diesem Unsinn.
00:12:36: Gewisse Dinge sind einfach für andere Länder unvorstellbar, so wie uns zum Beispiel aus Österreicher,
00:12:42: die Norweger haben lange verhandelt über das Thema Fisch und Fischfang.
00:12:46: Das hat natürlich uns Österreicher überhaupt nicht interessiert.
00:12:49: Also da gibt es schon ganz unterschiedliche Themen, die natürlich auch ganz unterschiedliche Prioritäten gehabt haben.
00:12:56: Als es dann vollbracht war, kann ich mich noch gut erinnern.
00:12:59: Ich war ganz jung dabei.
00:13:01: Sie waren aber doch noch sehr jung, oder?
00:13:03: War es so, aber das ist ein Bild, das sich mir eingeprägt hat.
00:13:06: Es hat wieder Außenminister Mock von der ÖVP, Ihnen als EU-Staatssekretärin, SPÖ-Staatssekretärin,
00:13:14: ein Busse gegeben hat vor aller Öffentlichkeit.
00:13:17: Und ich glaube, er hat etwas gesagt, was er vielleicht nicht gemeint hat,
00:13:22: was man aber schon als Abwertung empfinden kann.
00:13:24: Er hat gesagt, sie waren das Maskottchen, das irgendwie alles möglich gemacht hat.
00:13:29: Wie ist es Ihnen damals dabei gegangen?
00:13:32: Na ja, wie er mich geküsst hat, war ich noch völlig übernächtigt.
00:13:37: Ich habe das überhaupt nur mehr im Traum als leicht mitbekommen.
00:13:40: Ich habe ihm dann das gesagt mit dem Maskottchen.
00:13:43: Und er hat sich auch bei mir entschuldigt für, er hat das nicht so gemeint.
00:13:46: Also das hat er damals, das ist ausgesprochen erledigt.
00:13:49: Aber nicht in der Öffentlichkeit?
00:13:51: Nein, nicht in der Öffentlichkeit.
00:13:53: Was schon dieser Kurs bewirkt hat, war, er galt ja als relativ zurückhaltender distanzierter Diplomat.
00:14:00: Und ich glaube, er war so glücklich, dass wir letztendlich dieses Ergebnis erreicht haben
00:14:05: und dass er sich bedanken wollte.
00:14:08: Und bedanken wollte, dass ich glaube ich,
00:14:10: ich meine, er hätte nicht einen der Männer geküsst.
00:14:12: Das wäre noch viel komischer gewesen, wenn er einer der Männer geküsst hätte.
00:14:15: Franz von Nitz gebt.
00:14:16: Nein, nein, der war nicht mit.
00:14:17: Der war nicht.
00:14:18: Der ist in Winx essen.
00:14:19: Und er war auch völlig in beiden Nächten irgendwie immer.
00:14:21: Er war mal in der Rückkoppelung.
00:14:23: Der war im Büro.
00:14:24: Aber letztendlich war ich die, die mit der natürlich auch die meisten Zeit verbracht hat bei den Verhandlungen.
00:14:31: Nichts vorher.
00:14:32: Das war ja nur mal die Schlussverhandlungen.
00:14:34: Und wir sind im Laufe der Verhandlungen, glaube ich, kann man sagen, zusammengewachsen.
00:14:39: Wir haben uns am Anfang nicht sehr gut verstanden.
00:14:41: Aber das war dann am Schluss.
00:14:43: Der hat schon große Qualitäten gehabt, der Herr Ausminister.
00:14:48: Etwas Zweites ist aus dieser Zeit hängen geblieben.
00:14:50: Wir müssen es auch ansprechen.
00:14:52: Das wird Ihnen wahnsinnig auf die Nerven gehen.
00:14:54: Das weiß ich.
00:14:55: Aber Sie werden immer wieder in Verbindung gebracht mit dem sogenannten Edera Tausender.
00:15:01: Können Sie uns vielleicht sagen, was ist damit gemeint?
00:15:05: Was soll denn das sein?
00:15:07: Zuerst muss ich mal sagen, wenn überhaupt irgendetwas von mir überbleibt,
00:15:11: das ist der Edera Tausender und das Busserl vom Mock.
00:15:14: Das könnte man sagen, von anderen Leuten bleibt noch weniger über.
00:15:17: Also könnte mich auch freuen.
00:15:18: Aber die zwei Sachen, wenn überhaupt bleibt das über.
00:15:21: Das Einzige, was mir wichtig ist, wir hatten nach der Volksabstimmung,
00:15:25: die war im Juni, eine Pressekonferenz geplant und auch gemacht.
00:15:29: Das war die Konsumentenschützerin der Arbeiter Kamerwin und ich am 28. Dezember,
00:15:34: also ein halbes Jahr nach der Volksabstimmung,
00:15:37: zu dem Thema, dass gewisse Konsumentenpreise günstiger werden.
00:15:43: Da gibt es jetzt X-Studien, die das auch so dargerechnet haben
00:15:47: und bewiesen haben, dass es alles günstiger geworden ist.
00:15:50: Lebensmittel, Kleidung zum Beispiel.
00:15:52: Kleidung, Elektrogeräte, wir haben leider immer noch nicht ganz,
00:15:55: den ich binnenmarkt in der Europäischen Union realisiert.
00:15:59: Aber ein erheblicher Schwung war davorhanden.
00:16:02: Und bei der Pressekonferenz war es schon fertig
00:16:05: und die Bockeneindejournalisten und der ORF-Redaktor fragt die Hanny Etl,
00:16:09: die damalige Konsumentenschützerin der Arbeiterkammer,
00:16:12: ja, um wie viel wird es denn ungefähr billiger?
00:16:15: Und sie schaut so, ich sehe es heute noch von mir und sagt,
00:16:18: na ja, um ein Tausender für eine vierköpfige Familie
00:16:21: kann man schon rechnen im Monat, Schilling.
00:16:24: Nicht einmal 100 Euro.
00:16:26: Genau, der packt es ein und das waren die Schlagzeilen,
00:16:30: die aber mir zugeschrieben waren, weil es die Pressekonferenz war.
00:16:33: Und seitdem habe ich diesen Titel, was mich ein bisschen grenkt ist,
00:16:37: dass viele ältere Leute damit verbinden,
00:16:40: dass wir sie damals angelogen haben bei der Volksabstimmung,
00:16:44: aber das war lange nach der Volksabstimmung
00:16:47: und wir haben sie auch nicht angelogen, dass Studien zeigen,
00:16:50: dass das günstiger geworden ist.
00:16:52: Das Problem war, dass am 1. Jänner 1995
00:16:55: wir nicht nur der EU-Beigetreten sind,
00:16:58: sondern auch ein Sparpaket gestartet worden ist
00:17:01: und Maßnahmen beschlossen worden sind
00:17:03: und es sind einige Sachen teurer geworden
00:17:05: und die Menschen vermengen das natürlich.
00:17:08: Also wenn ich zwar weniger für die Milch oder für den Schlager war,
00:17:11: aber gleichzeitig höhere Wasser gebühren habe, etc.,
00:17:15: trenne ich das nicht, sondern denke mal,
00:17:17: zusammen am 1. Jänner der EU-Beigetreten
00:17:20: und einiges wird teurer, das kann nur die Europäische Union gewesen sein.
00:17:23: Wir bleiben noch ein bisschen bei dieser doch sehr wichtigen Phase
00:17:27: auch Ihres politischen Lebens.
00:17:30: Es kam dann eben zur Unterzeichnung des Beitrittsvertrags auf KORFO
00:17:35: und das war auch wieder so eine Situation,
00:17:38: wo Sie zurückstehen mussten.
00:17:40: Da ist der Bundeskanzler Franz Franzke hingefahren,
00:17:43: das Außenminister Alois Mock hingefahren.
00:17:46: Sie haben nicht mit unterzeichnet.
00:17:49: Sie waren da irgendwie in der zweiten Reihe.
00:17:52: Diese Ungerechtigkeit haben Sie damals scheinbar mühelos weggesteckt.
00:17:57: Wie macht man so etwas?
00:18:00: Mir war damals der Beitel so wichtig
00:18:03: und ich habe das nicht so als Bedeutung.
00:18:06: Natürlich habe ich mich kurz gekränkt,
00:18:08: das würde ich jetzt lügen, wenn ich sage,
00:18:10: das war mir völlig egal,
00:18:12: das war mir nicht so wichtig, wie das heute vielleicht scheint.
00:18:16: Und ich wusste auch, dass natürlich die ÖVP damals nicht wollte,
00:18:20: dass ich unterzeichne,
00:18:22: weil ich damals einen gewissen Zuspruch in der Bevölkerung hatte
00:18:26: und das Profil hat dann noch aufgetitelt,
00:18:29: jeder hat eine rote Engel
00:18:31: und das wollte man natürlich nicht so zu sagen,
00:18:34: dass dort die Zustimmung noch steigt.
00:18:36: Ich würde meinen, es haben vier Männer unterzeichnet,
00:18:39: heute wäre das hoffentlich zum Glück nicht mehr möglich.
00:18:42: Ich wollte gerade sagen,
00:18:44: aus einem feministischen Standpunkt her natürlich ein Desaster.
00:18:47: Desaster, wir sind Mitglied der Europäischen Union
00:18:50: und das ist wichtiger, wie wer es unterschreibt,
00:18:52: also das Desaster würde ich zurückweisen.
00:18:54: Ich glaube, das war insgesamt nicht ganz gescheit
00:18:57: von neuen Handeln, Personen.
00:18:59: Nach dem EU-Staatssekretariat sind Sie ja dann in die Partei gewechselt.
00:19:03: Sie waren Bundesgeschäftsführerin der SPÖ
00:19:06: und dann waren Sie Finanzstadtrettin von Wien.
00:19:09: Jetzt haben Sie der unterschiedliche Positionen in der Politik begleitet
00:19:14: und danach sind Sie in die Wirtschaft gewechselt.
00:19:17: Aus heutiger Sicht,
00:19:19: was ist denn der größte Unterschied zwischen Politik und Management?
00:19:24: Der schwierigste Job, den ich glaube ich auch am schlechtesten gemacht habe,
00:19:28: aber der ist bei weitern der schwierigste war die Bundesgeschäftsführerin der SPÖ.
00:19:33: Warum?
00:19:35: Weil Sie letztendlich für alles verantwortlich sind,
00:19:38: niemanden was einschaffen können
00:19:40: und vom Sozialpräsidischen kommen Parteisekretäre,
00:19:43: egal welcher Partei, ja gleich vom Präsidischen noch massenmörder.
00:19:47: Kann noch Bundeskanzler werden Sie, Christian Stocker?
00:19:50: Ja das stimmt, das ist vielleicht eine andere Zeit,
00:19:54: aber zu meiner Zeit war schon so,
00:19:57: das ist ein ganz schwieriger Job.
00:20:00: Was ist der Unterschied?
00:20:02: Der Unterschied ist, vieles ist gleich, die zeitliche Belastung,
00:20:06: aber Politik ist schon noch um einen Spur meiner Meinung noch härter,
00:20:10: auch von der zeitlichen Belastung her,
00:20:13: weil die Ballsaison in Wien, wenn sie für die Wirtschaft zuständig sind,
00:20:17: ist eine furchtbare, wenn ich das so sagen darf,
00:20:20: erwartet wird, dass sie auf alle Bälle gehen,
00:20:23: die da von den einzelnen Gewerben ausgerichtet werden.
00:20:26: Als Finanzstadtrettin war das.
00:20:28: Und war auch für die Wirtschaft zuständig.
00:20:30: Also die ganzen Feste dann, die im Frühjahr kommen und so,
00:20:34: also die zeitliche Belastung ist als Politikerin schon wesentlich stärker,
00:20:38: finde ich, und auch die Planbarkeit.
00:20:41: Wissen Sie, wenn Sie in einem Unternehmen in der Führung sind,
00:20:45: dann können Sie damit rechnen, wenn Sie in der Früh, in der Dusche stehen,
00:20:49: dass Sie auch noch am Abend diese Position innehaben.
00:20:52: In der Politik ist das oft gar nicht sicher,
00:20:55: weil da kann um 9 Uhr was daherkommen, womit Sie nie gerechnet haben,
00:20:59: Sie sind immer begleitet von Totalmedien-Scheinwerfern.
00:21:03: Also was immer Sie tun, sofort wird der Scheinwerfer eingestellt
00:21:07: und alle wissen besser, was dort jetzt die Verfehlung war.
00:21:10: Also das ist schon eine Aufgabe, die letztendlich schon
00:21:16: eine riesige Energie erfordern dort und auch so zu sagen, eine Einstellung.
00:21:20: Ich finde es auch wirklich traurig,
00:21:22: dass die Durchlässigkeit in Österreich kaum gegeben ist,
00:21:26: was Politik und Wirtschaft betrifft.
00:21:28: Ich finde, Politiker haben so viel an Wissen, wie man Mehrheiten findet,
00:21:33: wie man letztendlich versucht, Dinge durchzusetzen,
00:21:36: wie man auch medial sich durchkämpft,
00:21:40: das lernen Sie in der Privatwirtschaft nicht.
00:21:43: Das ist ja natürlich etwas, was eigentlich immer unter dem Titel
00:21:48: "Nennen wir es Postenschacher" dann irgendwie daherkommt.
00:21:51: Ein Politiker, eine Politikerin, die wechselt in die Wirtschaft
00:21:55: auf eine hohe Funktion, wird dann oft mit dem Thema "Postenschacher"
00:22:01: in Verbindung gebracht.
00:22:03: Das haben sich die ausgemacht, das ist ausgeteilt worden
00:22:05: und oft stimmt es ja auch.
00:22:07: Können Sie das nachvollziehen?
00:22:09: Nein, ich finde diese Diskussion schlecht.
00:22:11: Okay.
00:22:12: Weil ich sage es Ihnen, wie es bei mir war,
00:22:14: wie ich von der Wiener Stadtregierung zu Siemens gegangen bin.
00:22:17: Da wurde gesagt, die nehmen die Ädera, weil die wollen die Straßenbahnen verkaufen
00:22:23: und Kraftwerke etc.
00:22:25: Ich bin dann Generaldirektor, da war ich schon weniger.
00:22:29: Und wie ich dann nach Deutschland gegangen bin,
00:22:31: habe ich den Kollegen, der damals geschrieben hat, die Ädera ist ja nur Lobbyistin,
00:22:34: gesagt, ob er jetzt glaubt, dass ich auch in Deutschland,
00:22:37: nur deswegen geworden bin, weil ich Straßenbahnen und Kraftwerke kenne.
00:22:43: Ich habe dann gesagt, nein, aber trotzdem.
00:22:45: Ich finde, ehrlich gesagt, jeder Politiker oder jede Politikerin,
00:22:48: die haben so viel erlebt und so viele unterschiedliche Dinge gemanagt.
00:22:54: Das erleben sie in der Schnelligkeit und in der Eile,
00:22:58: wo sie sich einstellen müssen, in der Privatwirtschaft, zum Glück nicht.
00:23:01: Das ist auch schnell, das ist auch schwierig.
00:23:04: Aber sie ist trotzdem Planbarer.
00:23:06: Ich sage dann, mein Leben als Finanzstadtrat,
00:23:09: da waren um acht die Fleischhauer da,
00:23:12: weil sie gefunden haben, durch die EU haben sie jetzt weniger Möglichkeiten,
00:23:16: eigene Fleisch oder es gibt Auflagen, was das Schlachten betrifft.
00:23:21: Um neun waren die Wiener Gärtner da, die gefunden haben, die Preise sind zu gering,
00:23:25: um zehn waren irgendwelche Gruppen da, die mehr Geld haben,
00:23:28: wollten für die Gesundheitsversorgung.
00:23:30: Sie stellen sich, sie haben eine ganz andere Anforderung,
00:23:33: sich auf verschiedene Themen so einzustellen,
00:23:36: dass sie mithalten können mit den Menschen, mit denen sie reden.
00:23:39: Aber sie waren dann offensichtlich hauptsächlich auch Anlaufstelle für Beschwerden.
00:23:44: Ist das etwas, was dann in der Wirtschaft ähnlich ist,
00:23:47: dass man als Spitzenmanagerin auch hauptsächlich mit den Dingen konfrontiert wird,
00:23:51: wo andere sich aufregen, wo sie sich ungerecht behandelt fühlen, wo es Probleme gibt,
00:23:56: ist das so eine Ähnlichkeit.
00:23:59: Sie sind als Führungsperson immer damit konfrontiert,
00:24:02: dass das zu ihnen kommt, was tief unter ihnen, also das Mitarbeiter nicht mehr lösen können
00:24:08: oder wo sozusagen solche Probleme gehen.
00:24:11: Das, wenn alles funktioniert zu 100 Prozent, das kommt nicht zu ihnen.
00:24:15: Daher kriegen sie auch und da müssen sie sehr aufpassen als Führungsperson.
00:24:19: Irgendwann die Meinung, ich bin mit von lauter Leuten umgeben, die gar nichts lösen können,
00:24:24: weil alle Probleme kommen zu mir.
00:24:26: Das stimmt nur nicht, sondern die, die nicht zu ihnen kommen, das sind eben keine Probleme.
00:24:31: Aber das macht man schwierig, wenn man länger Führungskraft ist, zu akzeptieren, dass die
00:24:36: Umgebung sehr wohl gut arbeitet und man nicht sein Vorurteil, dass die alle nichts machen
00:24:42: und alle Probleme zu einem kommen, das stimmt einfach nicht.
00:24:46: Aber ich habe selber manchmal gedacht, was ja vielleicht auch ähnlich ist in der Politik,
00:24:52: wie in der Wirtschaft, ist man muss wissen, dass man Erfolge verkauft und man muss auch
00:24:56: wissen, wie man die Themen anpackt, die einem wichtig sind und dass man das auch wirklich
00:25:02: durchbekommt.
00:25:03: Ist das etwas, was Sie gut konnten, als Sie in die Wirtschaft gewechselt sind, weil Sie
00:25:08: gewusst haben von der Politik, wie man so etwas macht?
00:25:11: Oder ist das eigene Erfolge verkaufen, ist das etwas, was Ihnen nicht so liegt?
00:25:17: Eigene Erfolge verkaufen waren nicht so mein Thema, aber was natürlich, glaube ich, ganz
00:25:22: wichtig ist und wenn ich überhaupt einen Ratschlag an junge Leute geben kann, dann
00:25:26: ist es, wenn man eine Tätigkeit anfängt, dann muss man einen Willen haben oder wissen,
00:25:33: was will man dort verändern, was will man gestalten.
00:25:36: Es gibt immer mehr oder manchmal junge Menschen, die einfach nur sagen, die Position hätte
00:25:41: die gern oder die Position hätte die gern, aber gar nicht wissen, was sie mit der anfangen
00:25:45: wollen.
00:25:46: Und ich finde, die Position ist ja nur spannend, wenn ich irgendwie die Möglichkeit und die
00:25:50: Macht habe, Dinge zu gestalten und das ist in der Politik und in der Wirtschaft schon
00:25:56: ziemlich ähnlich.
00:25:57: Das heißt, der Gestaltungswillen sollte im Vordergrund stehen, nicht so sehr die eigenen
00:26:01: Karriere.
00:26:02: Und das bohrenharter Bretter ist da wie dort einfach die Hauptaufgabe.
00:26:06: Wir haben jetzt ein bisschen unseren biografischen Weg verlassen, ich komme kurz darauf zurück,
00:26:12: ich glaube, es war im Jahr 2000, als Sie dann in den Vorstand der Siemens AG Österreich
00:26:17: gewechselt sind, wann haben Sie denn für sich gewusst, dass es für die Politik jetzt mal
00:26:23: zu Ende ist und dass Sie gerne in die Wirtschaft gehen wollen?
00:26:26: Ich habe das nicht so geplant oder so gewusst, sondern es gab das Angebot von Siemens Österreich.
00:26:33: Aber Sie müssen sich vorstellen, die Menschen in der Anonymität in Österreich, da hätte
00:26:39: sich der Scham in Grenzen.
00:26:41: Was heißt das?
00:26:42: Ja, das heißt, ich war für die Wiener Linien zum Beispiel zuständig und ich bin immer
00:26:47: ins Büro gefahren, ich wohne in der Relativzentrale und da habe ich immer wieder Leute angreift,
00:26:53: dass die, also ich erinnere mich noch an eine Dame, die gesagt hat, das war damals der
00:26:58: Einwahn, wie sie noch nicht Stadträt waren, ist der Einwahn viel pünktlicher gekommen
00:27:02: wie jetzt.
00:27:03: Und auch, wenn sie am Samstag in der Früh am Markt einkaufen waren, wenn sie ununterbrochen
00:27:09: hören von Menschen und relativ aggressiv hören, was alles nicht funktioniert, wie blöd
00:27:15: alle miteinander sind und so zu sagen, das ist alles eine Katastrophe.
00:27:19: Also ich habe dann irgendwann einmal so Ausweichen den Dänzen gehabt, dass ich mir gedacht habe,
00:27:23: ich gehe noch mal einkaufen, also schon um sieben, das ist mir gar nicht mehr so.
00:27:27: Und wenn sie das einmal haben, wenn sie Ausweichen wollen, den Menschen sozusagen und den Kontakt
00:27:33: mit Menschen und ich habe immer guten Kontakt gehabt, aber wenn sie beginnen Ausweichen
00:27:38: zu wollen, dann müssen sie aufhören.
00:27:40: Das heißt, sie haben eine gewisse Aggressivität im politischen Diskurs eigentlich schon Ende
00:27:46: der 90er Jahre erlebt.
00:27:47: Ja, ja, aber es war bei mir viel leichter, weil es natürlich ohne die Sozialmedien war,
00:27:51: aber es gab sie damals noch nicht, aber der Charme, der Österreich in der Anonymität,
00:27:57: erhält sich in Grenzen.
00:28:09: Bevor wir jetzt weitermachen und auch so ein bisschen zu persönlicheren Fragen kommen,
00:28:15: jetzt haben wir uns warm geredet und jetzt wollen wir so ein kurzes Zwischenspiel machen
00:28:19: mit einem kleinen Wordrap, den Sie bitte, wenn es geht, am besten mit einem Wort beantworten.
00:28:25: Okay.
00:28:26: Schauen wir mal, ob es funktioniert.
00:28:27: Schauen wir.
00:28:28: Vier Tagewoche oder sieben Tagewoche?
00:28:32: Fünf Tagewoche.
00:28:33: Sport vor oder nach der Arbeit?
00:28:37: Führen Sie Ihren Terminkalender selbst?
00:28:41: Nein.
00:28:42: Auf welche Eigenschaften achten Sie bei Bewerbern am meisten?
00:28:48: Soziale kompetent.
00:28:49: Gibt es eine gute Art zu kündigen?
00:28:53: Nein.
00:28:54: Was ist Ihr wichtigster Softskill?
00:28:58: So lange zu fragen, bis ich es verstanden habe.
00:29:02: Auf welches Networking-Event können Sie nicht verzichten?
00:29:07: Die Einladung der Firma Siemens hat bei dem Salzburger Fechtspielen.
00:29:12: Office.
00:29:13: Homeoffice oder nicht Homeoffice?
00:29:16: Nicht Homeoffice.
00:29:17: Welche Eigenschaft hat sie an die Spitze gebracht?
00:29:22: Energie und dann letztendlich, dass ich immer den Biskopt habe, etwas zu verändern.
00:29:27: Work-Live-Balance, gibt es das?
00:29:31: Bedingt.
00:29:32: Sollten Väter und Mütter gleich lange in Elternkarrenz gehen?
00:29:37: Ja.
00:29:38: Ihr Tipp an junge Leute, die erfolgreich werden wollen, dass es keine Ratschläge gibt, sondern
00:29:44: jeder geht sein Leben.
00:29:46: Siemens galt damals als Männerbetrieb, vor allem was die Spitzenfunktionen betrifft.
00:29:56: Was hieß das damals konkret?
00:29:58: Wie ging es Ihnen in Sitzungen als einzige Frau?
00:30:02: Ich glaube, ich war sowas wie der bunte Elefant bei Siemens.
00:30:06: Wo sich alle bemüht haben, dass uns die nicht davonlauft oder gekränkt ist, oder dass
00:30:11: man da irgendwie das männerfeindliche Image bekommen.
00:30:15: Ich persönlich bin bei Siemens wirklich ausgesprochen gut behandelt worden, eigentlich die ganze
00:30:20: Zeit.
00:30:21: Also Sie hatten nicht das Gefühl, dass Sie Schwierigkeiten haben in Sitzungen, dass
00:30:26: man sich auf sie einstellt, dass sie zu Wort kommen, dass sie nicht unterbrochen werden.
00:30:31: Das war nicht eine Realität, die Sie erlebt haben.
00:30:33: Nein, das war bei Siemens nicht der Fall.
00:30:35: Das war ein bisschen in der Politik schon am Anfang der Fall.
00:30:38: Aber was natürlich bei Siemens war, ich bin ja dann als Vorstandsmitglied eingetreten
00:30:42: und wurde dann ja Generaldirektoren von Siemens Österreich.
00:30:46: Und da war es schon so, dass meine Kollegen irgendwie, die es vielleicht auch gerne geworden
00:30:51: wären, die waren da nicht so begeistert oder da gab es schon leichtere Schwierigkeiten,
00:30:56: aber die glaube ich, hätte jeder Mann auch gehabt.
00:30:59: Wie geht man um mit so etwas, sind das Attacken, die von vorne kommen oder die von der Seite
00:31:04: oder von hinten kommen und wie pariert man so etwas?
00:31:07: Naja, ich sehe schon da mit Verletzungen, die mir zugefügt worden sind in den letzten
00:31:13: 40 Jahren.
00:31:14: So ist es wieder nicht.
00:31:15: Da gibt es schon Narben, die vorhanden sind, die kommen aus der Politik, die kommen teilweise
00:31:20: aus meiner Siemenszeit, aber natürlich gibt es da Verletzungen.
00:31:24: Ich kann nicht beurteilen, ob Männer diese auch haben, ich glaube die stecken, die werden
00:31:29: sich glaube ich gar nicht so bewusst, dass es Narben sind, aber die gibt es und das ist
00:31:35: natürlich auch der gewisse Preis und ein spannendes Leben.
00:31:38: Der ist no free lunch, also es gibt keinem sonst und das ist ein Teil dessen, dass man
00:31:44: halt einfach relativ einsam ist in Führungspositionen und natürlich auch wenig soziale Möglichkeiten
00:31:52: hat sozusagen Freundschaften in Vorständen, glaube ich, das gibt es ganz seitens, also
00:31:56: ich kenne keinen Vorstand, der befreundet ist mit den Männern.
00:32:00: Wie muss man sich denn die Arbeit in so einer Spitzenfunktion vorstellen?
00:32:05: Ist das ein Aneinanderrein von Sitzungen?
00:32:09: Ist das ein sehr viel Einzelgespräche führen?
00:32:14: Ist das ein von früh bis spät Probleme lösen, wie Sie es schon angesprochen haben?
00:32:20: Hat das auch schöne Seiten, wo man sich dann irgendwie sagt, dafür hat sich es gelohnt
00:32:26: jetzt nicht nur, wenn ich aufs Bankkonto schaue, sondern auch...
00:32:29: Na, da gibt es absolut schöne Zeiten oder Erlebnisse, wenn man wirklich sozusagen gestalten will.
00:32:36: Wenn Sie mich fragen, war das der EU-Beitritt, war für mich wahrscheinlich der Höhepunkt
00:32:41: meines beruflichen Lebens, aber auch dann als Stadtrittin die U2, die durch den zweiten
00:32:47: Bezirk gekommen ist und so, also da gibt es wirklich schöne Erlebnisse und wo man auch
00:32:51: denkt, Jahre danach noch, das gäbe es jetzt vielleicht nicht, wenn es mich nicht gegeben
00:32:56: hätte in der Funktion, aber natürlich ist es, wenn Sie, ich bin nie mal hineingegangen
00:33:00: in Funktionen und habe mir gedacht so, was möchte ich erreichen, wenn ich da in vier,
00:33:04: fünf Jahren wieder herausgehe, was möchte ich gestalten, wo möchte ich tätig sein?
00:33:08: Also was möchte ich verändern und das ist natürlich extrem mühsam in der Politik und
00:33:13: in der Wirtschaft, weil Sie Widerstände haben, weil Sie letztendlich wie ein Herdenhunde Herde
00:33:19: vorantreiben müssen, das sind ja nicht nur die Mitarbeiter, das sind auch Kollegen, das
00:33:24: sind in der Politik, sind Wähler, in der Wirtschaft, sind es Aktionäre oder Aufsichtsräte, die
00:33:30: alle müssen sie unter Anführungszeichen bei Laune halten und dorthin bringen, wo sie die
00:33:34: Veränderung haben wollen, das ist Schwerarbeit, das kostet viel Energie, aber wenn sie es
00:33:38: erreichen, dann ist es ein Gefühl, das ist traumhaft.
00:33:41: Sie waren dann Generaldirektorin von Siemens in Österreich, sind dann später nach München
00:33:50: ins Hauptquartier gewechselt und waren auch dort Europaforstand und oberste Personalschäfen,
00:33:55: aber davor in Wien mussten sie noch tausende Menschen kündigen.
00:34:00: Wie haben Sie das vor sich selbst und vor Ihrer Mutter gerechtfertigt?
00:34:05: Sie haben selbst einmal erzählt, dass Ihre Mutter sehr kritisch war.
00:34:09: Wir haben versucht Auflösungen zu vereinbaren, also es war so, dass die Firma Siemens Telefonie
00:34:15: erzeugt hat und die Software für die Telefonie, also nicht die Geräte selber, sondern das,
00:34:20: was sozusagen die Software und das Herz dieser Geräte oder der Telefonie bedeutet hat,
00:34:26: das wurde in Wien entwickelt, die hat mein Vorgänger wirklich sehr beeindruckend alles
00:34:30: nach Wien geholt.
00:34:31: Und wie Siemens sich entschieden hat, aus der Telefonie auszusteigen, war natürlich
00:34:36: auch diese Arbeit nicht mehr notwendig und man musste sich von Ihnen trennen und das
00:34:41: war beruflich sozusagen der schmerzigste Teil, also den möchte ich mein ganzes Leben nie
00:34:46: mehr machen müssen, muss ja Gott sei Dank nehmen, aber wir haben dort geschaut, dass
00:34:51: man eben soziale Themen so viel wie möglich abfedert und auch so viel wie möglich an
00:34:56: Geld hier zur Verfügung stellt, aber letztendlich war es furchtbar.
00:34:59: Sie haben ja das auch mit Ihrer Mutter besprochen.
00:35:03: Sie haben das einmal in einer Dokumentation für das Norddeutsche Fernsehen, den Norddeutschen
00:35:08: Rundfunk auch gesagt, dass Ihre Mutter hier sehr kritisch war Ihnen gegenüber.
00:35:13: Was hat Ihnen Ihre Mutter gesagt?
00:35:15: War es dieser Satz, das macht man nicht?
00:35:17: Oder was war da der Zugang?
00:35:19: Und was haben Sie ihr gesagt?
00:35:21: Wie haben Sie es auch ihr erklärt, vor ihr gerechtfertigt?
00:35:25: Meine Mutter hat gelesen, dass ich Leute abbauen muss und meine Mutter hat von Ihrer
00:35:29: Wälderentschauung quasi der Meinung Arbeitslosigkeit ist das Furchtbarste, was Menschen treffen
00:35:33: kann und hat das gelesen und ich habe sie besucht und sie hat gesagt, du musst jetzt
00:35:38: Leute abbauen und ich habe gesagt, ja leider und sehr viel und so und sie sagt, er macht
00:35:43: ihr Verluste und die sagt, nein, wir machen keine Verluste, aber der Teil wird im geschlossenen
00:35:49: Telefonie und sie sagt, ja aber dann verstehe ich nicht, wenn es keine Verluste aus ganzes
00:35:54: macht, aber warum schmeißt dann die Leute raus und das war für mich fast das Schwierigste
00:36:01: an dem Thema, weil einer Frau das zu erklären, die das nicht einfach verstehen will, weil
00:36:06: ihre ganze Welt eine andere ist und auch so Arbeitslosigkeit für sie so furchtbar war,
00:36:13: ist mir eigentlich nicht gelungen, ihr das zu erklären.
00:36:15: Haben Sie einen Frieden damit gemacht?
00:36:19: Ich möchte es nie mehr machen, ich würde es nie mehr machen in meinem Leben.
00:36:24: Jetzt ist es ja oft so, so Spitzenmanager bekommen ja Boni am Ende eines Jahres, wenn das Jahr
00:36:31: erfolgreich war, wenn das Unternehmen Gewinn gemacht hat und oft kriegen sie auch Boni
00:36:36: dafür, wenn sie sozusagen letztlich Leute verabschiedet haben, haben Sie damals einen
00:36:42: Bonus gekriegt, wie sehen Sie überhaupt dieses Bonussystem, das ja doch auch an oft sehr
00:36:48: schmerzvolle und sehr umstrittene Entscheidungen gebunden ist.
00:36:53: Ja ich werde jetzt, wenn es Zuhörer gibt, die sozusagen der Wirtschaft nahestehen, werde
00:36:59: wahrscheinlich jetzt ein paar von den Kopf stoßen, ich halte von dem individuellen Teil
00:37:04: des Einkommens gar nichts, sondern ich finde Menschen, die eine gute Leistung bringen
00:37:08: sollen, ordentlich bezahlt werden, da können wir dann reden, wieviel, aber wenn man dann
00:37:13: auch noch immer diesen individuellen Teil davon abhängt, sind sie erfolgreich oder nicht,
00:37:19: der ist ein sehr gestaltbarer Teil, wie Sie richtig sagen, man hat höhere Gewinne, wenn
00:37:24: man mehr Leute abbaut zum Beispiel, aber auch, dass man es hinrechnet ein bisschen,
00:37:29: also ich bin ein wirklicher vehement, aber ich bin gegen diese individuellen Teil, ich finde
00:37:34: die Menschen sollen gut Zeit werden, die sollen wissen und wenn es keine Leistung bringen
00:37:38: oder wenn es nicht passt, dann sollen wir sie irgendwann von Ihnen verabschieden, deswegen
00:37:42: verdienen sie aber weit mehr wie andere Menschen, aber ich halte nichts von diesem individuellen
00:37:47: Einkommensteil, aber überall, wo ich jemals in meinem Leben in einem Unternehmen hingekommen
00:37:52: bin, ob in Aufsichtsräten oder in Management-Positionen, alle wollen diesen individuellen Teil des
00:37:58: Einkommens und ich habe das fast ein bisschen resignierend aufgegeben, da kann ich nicht
00:38:02: sagen, die Manager selbst wollen das, die Manager selbst wollen das, aber es wollen
00:38:06: auch die Aufsichtsräte, die darüber beurteilen wollen, weil sie das Gefühl haben, sie müssen
00:38:10: jährlich den Handeln und Personen sagen, dass mit der Leistung war ich nicht zufrieden
00:38:15: und mit der schon, also nachreichbare Ergebnisse, aber ich habe auch gelernt, dass man das
00:38:21: doch relativ stark aus Manager auch gestalten kann, wie ich sozusagen dann letztendlich
00:38:27: die Leistung hier bewertet werden kann.
00:38:29: Aber das ist doch auch so ein bisschen, wie transparent ist das denn, weil ich weiß,
00:38:33: ich habe mein Vorstandskollege jetzt einen höheren Bonus bekommt als ich oder woran
00:38:38: bemisst sich das denn oder wird das ausgesprochen, du bekommst heute dieses Jahr um die Hälfte
00:38:43: weniger, weil wir finden, du warst nicht erfolgreich oder wie muss ich mir das vorstellen?
00:38:47: In der Regel ist es so, dass man am Anfang des Jahres gemeinsam entweder mit den Chefs
00:38:51: im Unternehmen, wenn sie in der zweiten, dritten, vierte Nebene sind oder mit dem Aufsichtsrat,
00:38:56: wenn sie in der ersten Nebene sind, macht man vier, fünf, zehn, zehn ist viel zu viel,
00:39:01: am besten würde ich meinen, wenn überhaupt drei, vier Punkte ganz konkret aus, was muss
00:39:06: erreicht werden, damit du zu deinem Fixgehalt auch noch einen variablen Teil bekommst, das
00:39:12: ist nachrechenbar und daher natürlich auch für jeden nachvollziehbar, aber es ist ja
00:39:19: trotzdem so, dass das Ereignisse gibt, die können sie nicht vorhersehen, ist das Management
00:39:24: ein Schuld oder nicht? Also wenn die Bahn weniger Leute transportiert, weil es Hochwasser
00:39:31: gibt und Regen gibt der ganze Wochen, ist das der Bahnvorstand Schuld oder nicht? Diese
00:39:37: Frage müssen sie dann beantworten. Ich wäre eher dafür, dass man insgesamt sagt, Menschen
00:39:42: die Erführungsposition haben, die sollen ordentlich verdienen und wenn sie sozusagen keine Performance
00:39:47: haben, die befriedigend ist, dann muss man sie irgendwann von einer trennen, deswegen verdienen
00:39:52: sie ja mehr wie die anderen. Wir nähern uns unserem Schluss-Teil. Diese NDR-Dokumentation
00:40:00: vor einigen Jahren, die ich bereits angesprochen habe, da haben sie dann gesagt, sie wüssten
00:40:07: immer noch nicht, warum sie nach vier Jahren bei Siemens in München vorzeitig abberufen
00:40:13: wurden. Diese Dokumentation ist schon ein paar Jahre her, wissen sie es heute? Nein, ich
00:40:20: weiß es bis heute nicht. Ich vermute, was der Grund war, aber ich weiß es nicht. Können
00:40:24: Sie uns das erzählen? Ja, ja, dann sicher, der Grund. Ich vermute, aber es wurde nie
00:40:28: ausgesprochen und ich weiß es nicht. Damals ist es 65-jährige Betriebsarztvorsitzende
00:40:34: da Siemens AG wollte, dass er verlängern wird. Und es gab bei Siemens ein Regularium,
00:40:40: das man mit 65 aufhören muss. Und ich habe damals gesagt, es gibt es Regulare, ich verlängere
00:40:46: ihn nicht. Aber wenn ihm jemand anderer vom Aufsichtsrat verlängert oder der Aufsichtsratsvorsitzende
00:40:52: ich werde nichts dagegen tun. Die haben aber das auch nicht gemacht und ich gemetalte,
00:40:58: also die zuständige Gewerkschaft und auch der Betriebsrat waren einfach sehr böse auf
00:41:02: mich und haben gesagt, sie haben das Vertrauen verloren in mich, dass ich da kooperiere und
00:41:06: mit ihnen zusammenarbeite. Ich nehme an, das war der Grund. Ich weiß es aber bis heute.
00:41:11: Also möglicherweise hat die Sozialdemokratin Brigitte Edderer gegen den Betriebsrat verloren
00:41:17: in der damaligen Situation. So könnte man sehen, ja.
00:41:20: War es das, was Sie so gekränkt hat? Sie haben damals gesagt, es hat mich kurzfristig sehr
00:41:25: gekränkt. Es ist eines der Narben, die ich habe, die ich von denen ich vorher gesprochen
00:41:29: habe. Natürlich, wenn Sie nicht wissen, ich habe keine Streiks gehabt in Deutschland.
00:41:33: Ich glaube, ich weiß nicht, ob ich einen sehr guten Job gemacht habe, aber ich habe keinen
00:41:37: schlechten Job gemacht und ich weiß bis heute nicht, warum.
00:41:42: Glauben Sie, es ist Ihnen das Geschehen, weil Sie eine Frau waren?
00:41:45: Nein. Es ist mir sicher geschehen, weil ich in gewissen Sachen vielleicht in meinem Leben
00:41:51: zu kompromisslos bin. Wo sind Sie kompromisslos?
00:41:55: Ja, mein Mann sagt es manchmal, dass ich weiß, wie man Dinge tun muss und da bin ich leider
00:42:01: oft zu wenig bereit, dass es auch andere Möglichkeiten gibt, zum Ziel zu kommen oder
00:42:06: überhaupt. Wenn ich finde, das gehört jetzt gemacht und das muss gestaltet werden und
00:42:11: das muss verändert werden, dann muss man alle Widerstände überwinden. Und die Widerstände
00:42:17: haben da oft keine Freude damit.
00:42:20: Frau Edderer, Sie sitzen in einigen Aufsichtsräten. Sie sind auch die Vorsitzende des ÖBB-Aufsichtsrats.
00:42:28: Wie viele Aufsichtsräte sind Sie insgesamt momentan?
00:42:30: Sechs. Was war besser, quasi im Unternehmen an einer Spitzenposition zu sein oder Aufsichtsrätin
00:42:38: zu sein?
00:42:39: Mehr gestalten können Sie, wenn Sie selbst operativ tätig sind. Das ist ein Riesenvorteil
00:42:45: und das ist auch das Lebenselixir, dass Sie was tun können, bewirken können. Das können
00:42:51: Sie aus Aufsichtsrat viel, viel weniger oder gar nicht, weil das Wort Aufsichtsrat ist schon
00:42:57: binhaltig, dass man nicht selber operativ tätig ist. Aber es hat natürlich den Vorteil, wenn
00:43:03: es irgendeine große Katastrophe im Unternehmen getroffen ist, das erst nicht an, sondern
00:43:07: dann rufen Sie das Management an.
00:43:09: Aber Sie können ja zum Beispiel als Aufsichtsratsvorsitzende, könnten Sie da ÖBB sagen, da
00:43:15: geht ja einen falschen Weg oder diesen Tunnel im Tulnerfeld hätte dir vielleicht ein bisschen
00:43:21: höher bauen müssen und nicht zu tief, dann wäre beim Hochwasser nichts passiert. Also
00:43:25: kann man insofern nicht auch gestaltend eingreifen.
00:43:29: Man kann Ratschläge geben, Aufsichtsrat. Man kann Ratschläge geben, man hat zu überprüfen,
00:43:35: ob gewisse Strategien des Management auch wirklich realistisch sind und der Realität
00:43:40: standhalten. Aber letztendlich, wo der Tunnel gebaut wird, wie er da gebaut wird, ist es
00:43:47: zum Glück nicht meine Aufgabe und das sollte es auch nicht seien als Aufsichtsrat.
00:43:51: Sie haben vorhin gesagt, dass es eigentlich keine Freundschaften gibt auf der Spitzenmanagement-Ebene.
00:43:57: Was es sehr wohl gibt, es gibt Netzwerke. Es gibt auch mittlerweile Frauennetzwerke auf
00:44:03: Spitzenmanagement-Ebene. Ist das etwas, das einem tatsächlich weiter hilft? Ich erinnere
00:44:11: jetzt nur daran, dass es noch immer nicht gelungen ist, in den Vorstandsetagen insgesamt
00:44:17: so etwas wie Gleichberechtigung herzustellen. Es gibt immer noch wesentlich mehr männliche
00:44:22: Vorstände als weibliche. Ich glaube, die Netzwerke werden zum Teil
00:44:27: überbewertet. Ich bin natürlich nicht in Netzwerken, in denen sich Männer befinden.
00:44:31: Also ich kenne nur die Frauennetzwerke, aber ich glaube, Netzwerke an sich werden überbewertet.
00:44:36: Was natürlich hilft ist, wenn Sie jemanden kennen, dann können Sie in der heutigen
00:44:42: Zeit zum Glück nicht mehr davon ausgehen, dass Ihnen der mehr hilft oder Ihnen einen
00:44:46: Auftrag zuschanzt. Aber Sie haben die Chance, dass Sie von der Assistentin durchgestellt
00:44:52: werden, wenn Sie anrufen. Oder dass Sie überhaupt einen Ansprechpartner finden für ein Thema
00:44:58: und dann möglicherweise die Sicht auf das Thema eine andere wird. Aber so dass man wirklich
00:45:04: so keilen kann, um Aufträge oder sonst irgendwas durchzusetzen. Ich weiß nicht, ob es früher
00:45:10: der Fall war, aber die Zeiten sind, wenn Sie vorhanden waren, längst vorbei.
00:45:14: Aber auch, um in eine Position zu kommen, heißt es doch immer, es ist ganz gut, wenn man Mitglied
00:45:19: im CV ist oder bei den Freien Maurern, was ja per se schon mal Frauen ausschließt. Ist
00:45:26: das immer noch so? Und meines Wissens gibt es auch weibliche Freien. Aber ich weiß es
00:45:29: nicht genau. Aber die sind vielleicht nicht so einflussreich.
00:45:32: Ich bin Mitglied der Sozialdemokratie und des österreichischen Gewerkschaftspunkt und
00:45:36: das reicht mir. Sie haben ja früh beschlossen in der
00:45:40: Politikkarriere zu machen. Sie haben dafür, wie Sie selbst sagen, einen sehr hohen Preis
00:45:45: bezahlt, Kinderlosigkeit. Haben Sie den Eindruck, dass es nachfolgende Generationen hier leichter
00:45:53: haben, Karriere und Kinder zu vereinbaren, als Sie damals jung waren?
00:45:59: Ich glaube, es ist besser geworden. Es ist auch die Einstellung von jungen Männern heute
00:46:04: besser, wie damals. Aber insgesamt, es gibt mehr Kinderbetreuungseinrichtungen in der Stadt.
00:46:10: Ich glaube, am Land ist es immer noch schwierig. Aber natürlich. Ich konnte das damals nicht
00:46:15: vereinbaren. Das heißt ja nicht, dass das nicht andere Frauen konnten oder dass es nicht
00:46:19: jüngere Frauen heute können. Für mich ist es ein Teil des Preises einer spannenden Berufstätigkeit.
00:46:26: Aber Sie würden jetzt nicht grundsätzlich sagen, dass es unmöglich ist, ein Großkonzern
00:46:30: zu leiten und eine Familie zu haben. Als Frau, die Ursula von den Leyen ist Präsident
00:46:36: in der Europäischen Kommission und hat meines Wissens sieben Kinder. Es ist nicht unmöglich.
00:46:41: Es kommt aus einer sehr wohlhabenden Familie. Es ist sozusagen nicht unmöglich. Aber Sie
00:46:45: müssen sich schon vorstellen, natürlich auch in einer Spitzenposition in der Wirtschaft.
00:46:50: Haben Sie die zeitliche Verfügbarkeit? Sie können nie planen. Wenn ein großer Kunde
00:46:56: aus Brasilien anruft bei Siemens und sagt, es steht jetzt den Auftrag von 500 Millionen
00:47:01: im Spiel, aber Sie müssen morgen erscheinen, dann erscheinen Sie morgen. Und Sie sagen
00:47:07: alles ab, was da geplant war. Und das ist einfach diese zeitliche Verfügbarkeit, die
00:47:13: ist in der Politik vorhanden, die ist in der Wirtschaft vorhanden. Und das in zu Spitzenpositionen
00:47:18: ist das schwierig. Sie haben ja dann noch ein zusätzliches Problem gehabt, wenn ich mich
00:47:22: recht entzinnere. Sie mussten fliegen. Und fliegen war jetzt nicht ihre Lieblingstätigkeit.
00:47:27: Stimmt das? Das ist bis heute leider so. Ich weiß nicht, warum. Aber ich fliege ganz
00:47:32: ungern, um nicht zu sagen, ich habe Flugangst. Aber Sie haben das sowohl für die Politik
00:47:37: als auch für Ihren Managementjob immer überwinden können? Für die Politik haben wir geschworen,
00:47:43: dass ich nie mehr den Flieger um 7 Uhr nach Brüssel nehme. Also den habe ich auch danach
00:47:48: nie mehr genommen. Und bei Siemens habe ich dann sehr viel geflogen leider, was gesundheitlich
00:47:54: nicht das Beste für mich war, weil wenn man sich immer fürchtet, wenn es zum Wackeln
00:47:57: anfängt, ist das wahrscheinlich kontraprojektiv. Gibt es etwas, dass Sie heute gerne Ihrem
00:48:04: jüngeren Ich sagen würden? Versuche manchmal nicht alles sozusagen zu 100 Prozent durchzusetzen,
00:48:13: begnügt Dich mit 80 Prozent. Du tust Dir leicht und brauchst weniger Energie. Brigitte Edderer,
00:48:19: vielen Dank für das Gespräch. Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat und Sie unsere Arbeit
00:48:29: unterstützen wollen, abonnieren Sie am besten den Standard. Alle Infos dazu gibt es auf
00:48:34: Abo.derStandard.at. Diese Folge wird produziert von Christoph Neuwirt, Schold Wilhelm, ist
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